25. November 2024
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Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird den Unternehmen ein neues Geschäftsmodell aufzwingen und den Zugriff auf Finanzmitteln beeinflussen
TPA Rumänien: In naher Zukunft werden Banken voraussichtlich differenzierte Zinssätze für grüne Darlehen anwenden
Über 5.000 rumänische Unternehmen haben für 2025 eine Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erstellen, infolge der Ausweitung der entsprechenden Verpflichtungen auf mittlere und große Unternehmen. Diese Entwicklung wird erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmen und die Einführung eines neuen Geschäftsmodells zur Folge haben.
Die Integration von ESG (Environment, Social and Governance)-Standards in die Gesamtstrategie kann sowohl wesentliche Änderungen in der Geschäftstätigkeit und in den Entscheidungsfindungsprozessen mit sich bringen, als auch mit erheblichen Umsetzungskosten verbunden sein und, überdies, den Zugang der Unternehmen zu Mitteln und Finanzierungen beeinflussen – so das Beratungsunternehmen TPA Romania, ein auf Buchhaltung, Wirtschaftsprüfung, Fusionen und Übernahmen sowie Steuer- und Rechtsberatung spezialisiertes Spitzenunternehmen in Mittel- und Osteuropa.
„Im letzten Jahr haben immer mehr Unternehmen erkannt, dass sie sich auf die Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereiten müssen. In Rumänien ist die Innenrevision für Unternehmen, die gesetzlich zur Durchführung der Abschlussprüfung verpflichtet sind, obligatorisch, und wir haben eine steigende Nachfrage nach ESG-orientierten internen Audits festgestellt, der die Beurteilung der Bereitschaft der Unternehmen für die neuen Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsnormen („ESRS“) sowie eine fachkundige Betreuung bei der Umstellung auf die neuen Vorschriften sowie bei der Erfüllung künftiger Anforderungen umfasst“, betont Claudia Bratu, Audit Partnerin und Leiterin des ESG- Services bei TPA Romania.
Die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD“) ermutigt Unternehmen, innovative und ressourceneffiziente Methoden zu erforschen und Kosten durch verbesserte Energieeffizienz, effektiveres Abfallmanagement und Lieferkettenoptimierung zu senken. „Die Einhaltung der ESRS-Standards kann den Zugang zu Finanzmitteln und billigeren Finanzierungen erleichtern, da die Banken in naher Zukunft für grüne Darlehen differenzierte Zinssätze im Vergleich zu andersartigen Krediten anbieten werden. Nicht zuletzt werden ESRS-konforme Unternehmen, die ökologische und soziale Verantwortung zeigen, qualifizierte Fachkräfte anziehen und die Loyalität bestehender Mitarbeiter erhöhen“, erläutert Claudia Bratu.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung umfasst Umwelt-, Soziale und Governance-Angelegenheiten und analysiert nicht nur die direkten Aktivitäten des Unternehmens, sondern die gesamte Wertschöpfungskette.
Es wird erwartet, dass immer mehr Unternehmen in naher Zukunft Bericht erstatten. „Die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) arbeitet derzeit an der Entwicklung von Standards auch für KMU. Darüber hinaus enthält die Richtlinie eine Berichterstattungsanforderung zur gesamten Wertschöpfungskette, was wiederum bedeutet, dass KMU in der Wertschöpfungskette ESG-Grundsätze anwenden und in der Lage sein müssen, ihren Partnern -bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung- diesbezügliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Mit der Ausweitung der Anforderungen werden die KMU also mehr und mehr in den Berichterstattungsprozess einbezogen“, fügt Claudia Bratu hinzu.
Anfang 2024 machte Rumänien einen wichtigen Schritt nach vorn, indem es als eines der ersten Staaten die CSRD-Anforderungen durch die Verabschiedung der Verordnung Nr. 85/2024 in nationales Recht umsetzte. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung umfasst Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte und analysiert nicht nur die direkten Aktivitäten des Unternehmens, sondern auch die gesamte Wertschöpfungskette. Diese Berichterstattung muss im Lagebericht enthalten sein und mit dem Jahresabschluss eingereicht werden. In der ersten Stufe, die am 1. Januar 2024 begann, waren börsennotierte Unternehmen mit durchschnittlich 500 Beschäftigten im Geschäftsjahr Zielgruppe. In der zweiten Stufe, die am 1. Januar 2025 beginnt, wird die Verpflichtung erheblich ausgeweitet und umfasst nun auch mittlere und große Unternehmen, d. h. solche, die in zwei aufeinanderfolgenden Jahren mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: einen Jahresumsatz von mehr als 50 Mio. RON, eine Bilanzsumme von mehr als 25 Mio. RON oder eine Durchschnittszahl von 50 Beschäftigten.
Unternehmen mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahr haben ihre erste Nachhaltigkeitsberichterstattung für das erste, auf den 1. Januar 2024 oder, gegebenenfalls, den 1. Januar 2025 folgende Geschäftsjahr – je nach der Kategorie, in die sie sich einordnen – zu erstellen. „Beispielsweise wird ein börsennotiertes Unternehmen mit einer durchschnittlichen Mitarbeiterzahl von über 500, dessen Geschäftsjahr am 30. September endet, erstmals für das am 1. Oktober 2024 beginnende Finanzjahr Bericht erstatten, während ein Unternehmen der mittleren und großen Kategorie mit demselben Stichtag – 30. September – erstmals für das am 1. Oktober 2025 beginnende Wirtschaftsjahr Bericht zu erstatten hat“, so Claudia Bratu.
Der Vorbereitungsprozess für die Berichterstattung ist keineswegs einfach, kann über neun Monate in Anspruch nehmen und, je nach Branche, sehr unterschiedlich sein
Die Expertin der TPA Romania führt jedoch aus, dass Tochtergesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen von der Einzelberichterstattung befreit werden können, wenn die Muttergesellschaft ihre Daten bereits in einen konsolidierten Lagebericht aufgenommen hat, der ins Rumänische zu übersetzen ist. Es ist hierbei allerdings unerlässlich, dass der Lagebericht der Tochtergesellschaft den Namen und den Sitz der Muttergesellschaft, die die Informationen auf Konzernebene meldet, Links zum konsolidierten Lagebericht der Muttergesellschaft, die zugehörige Limited Assurance Opinion und nicht zuletzt die Aussage enthält, dass die Tochtergesellschaft von der Meldepflicht befreit ist.
„Dieser gesamte Prozess zur Vorbereitung für die Berichterstattung ist nicht unkompliziert und kann manchmal mehr als neun Monate in Anspruch nehmen. In dieser Zeit müssen Unternehmen ESG-Auswirkungen, -Risiken und -Chancen ermitteln, Stakeholder einbeziehen, ESG-Ziele festlegen, die ESG-Strategie in die Gesamtstrategie integrieren sowie ESG-Leistungsindikatoren definieren. Darüber hinaus ist es von wesentlicher Bedeutung, multidisziplinäre Teams zu bilden und mit fachkundigen Beratern zusammenzuarbeiten, die die neuen ESRS gut verstehen. Wenn in den ersten drei Jahren der Umsetzung besagter Anforderungen nicht alle erforderlichen Daten über die Wertschöpfungskette des Unternehmens erhältlich sind bzw. bereitgestellt werden können, hat das Unternehmen jeweils seine Bemühungen zur Einholung dieser notwendigen Angaben zu seiner Wertschöpfungskette, die Gründe, weshalb die vorgenannten Informationen nicht erhoben werden konnten und sein geplantes Vorgehen zur zukünftigen Beschaffung der erforderlichen Angaben ausführlich darzulegen“, so Claudia Bratu.
Die rumänischen Gesetze sehen auch Sanktionen für berichtspflichtige Unternehmen, die ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, vor – Geldstrafen, die zumindest derzeit zwischen 5.000,00 RON und 40.000,00 RON rangieren – und die ab dem ersten Jahr der Berichterstattungspflicht verhängt werden können.
Die Umsetzung nachhaltiger Aktivitäten ist von einem Wirtschaftszweig zum anderen sehr unterschiedlich, je nach den Besonderheiten der einzelnen Tätigkeiten sowie dem Druck der Regulierungen und jenem der Verbraucher.
„Wenn wir beispielsweise über den Finanzsektor sprechen, spielt er eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung der grünen Wirtschaft. Banken und Finanzinstitute haben bereits damit begonnen, ESG-Kriterien in ihre Risikobewertungsverfahren zu integrieren. Von den Banken wird erwartet, dass sie Unternehmen, die ein starkes Engagement für nachhaltige Praktiken zeigen, bevorzugte Finanzierungen anbieten. Der Sektor der erneuerbaren Energien zählt ebenfalls zu den am weitesten fortgeschrittenen Branchen bei der Einführung von ESG-Prinzipien, da er sich vorrangig die Reduzierung von Treibhausgasemissionen zum Ziel gesetzt hat. Aufgrund des Drucks von Investoren und Kunden, insbesondere deren aus der Automobilindustrie, haben auch Software- und IT-Dienstleistungsunternehmen damit begonnen, ESG-Grundsätze in einem beschleunigten Tempo einzuführen. Auch die Konsumgüterhersteller sind bestrebt, als Reaktion auf die Verbrauchernachfrage, in grüne Verpackungen und nachhaltige Lieferketten zu investieren“, führt Claudia Bratu aus.
Am anderen Ende haben die Bergbau-, Öl- und Schwerindustrie (z. B. Stahl- und Zementproduktion) noch einen mächtigen Nachholbedarf und stehen vor beträchtlichen Schwierigkeiten aufgrund der hohen Emissionen und der zur Dekarbonisierung erforderlichen kostspieligen Technologien. Auch Landwirtschaft und Verkehr gehören zu den in diesem Bereich unzureichend vorbereiteten Sektoren, die vor massiven Herausforderungen im Zusammenhang mit dem ressourcenintensiven Verbrauch und den hohen Treibhausgasemissionen stehen.
„ Während sich die fortschrittlichen Branchen rascher an die ESG-Kriterien anpassen, sind in den traditionellen Wirtschaftszweigen erhebliche Investitionen und strukturelle Veränderungen erforderlich, um den Übergang zur Nachhaltigkeit zu bewältigen. Ein deutlicher Unterschied besteht auch zwischen Unternehmen, die in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden und gezwungen sind, hohe Nachhaltigkeitsstandards einzuführen, und Firmen, die ausschließlich auf den lokalen Markt ausgerichtet sind und bei denen der Druck, ESG-Kriterien umzusetzen, weitaus geringer ist. Experten betonen, dass diese Diskrepanz zwischen den Sektoren in den kommenden Jahren zu einer ungleichen wirtschaftlichen Entwicklung führen könnte, da ESG-Kriterien bei Investitionsentscheidungen und Geschäftsbeziehungen immer wichtiger werden“, erläutert Claudia Bratu.
Die Kosten für die Nachhaltigkeitsberichterstattung können sich als ziemlich umfangreich gestalten, da sie Kosten für interne Mitarbeiter, für Informationssysteme, für die Datenerfassung sowie für Beratung und externe Audits beinhalten können. Es kann z.B. notwendig sein, auf die Erhebung und Analyse von Umweltdaten spezialisierte Plattformen oder Anwendungen zu erwerben. Es mag auch erforderlich sein, in Geräte zur Messung jeweils von Emissionen und des Verbrauchs von Energie, Wasser oder anderen Ressourcen, die für die Berichterstattung überwacht werden sollen, investieren zu müssen.